Dieser Artikel ist schon über 2 Jahre alt. Unter Umständen kann das, worüber wir geschrieben haben durchaus veraltet sein! 😉 


alex_jacobi
Am 11.11.2016 wird bei der New Media Night 2016 in Aachen der Nachwuchspreis Neue Medien verliehen. Das Event ist Treffpunkt für den kreativen Nachwuchs aus den Bereichen Design, Medien, Kommunikation und Entwicklung. Zu Beginn hält Alex Jacobi einen Impulsvortrag. Er hat uns in einem Interview erzählt, worum es dabei geht und was Spannendes zu erwarten ist.

Alex, stell dich doch kurz vor: Wer bist du und was machst du?

Ich bin Alex Jacobi, Gründer von sprechersprecher​.de und Alex/Jacobi Voices Music Audiopost. Wir helfen Marken bei der akustischen Kommunikation, das heißt wir beraten wie man optimal mit Sound kommuniziert und setzen die Produktionen dann in unseren Tonstudios um.

Unsere Plattform sprechersprecher​.de ist eines der grössten Portale für Sprecher Castings in Europa. Wir haben ca. 2.000 Sprecher in 40 Sprachen mit über 10.000 Sprachproben. Unsere Kunden sind Marken wie z.B. Nivea, Coca Cola, Ferrero, Jägermeister sowie Werbeagenturen und Filmproduktionen jeglicher Größe. Für sie arbeiten wir an ca. 1.200 Produktionen und über 4.000 Sprecher Castings im Jahr. Ein ähnliches Produkt haben wir im Bereich Musik, hier entwickeln wir gerade einen Algorithmus, der vorhersagen kann, wie ein Konsument auf ein bestimmtes Musikstück reagiert.

Als kleiner Laden funktionieren Jobs dieser Größenordnung für uns nur, weil wir von Anfang an auf die Kombination von einem Killer-Team und automatisierte Softwareprozesse gesetzt haben.

Wir nutzen alle möglichen aktuellen Techniken und Plattformen, um ein Maximum an Automation zu erzielen. Anders wäre es völlig unmöglich, dieses Volumen an Produktionen zu rocken. Das beinhaltet selbstentwickelte Assistenzsysteme, Crowdsourcing, AI und Machine Learning, eine eigene API sowie ein komplexes CRM System in Verbindung mit unseren Webapps.

Auf der anderen Seite haben wir ein Team, das nicht nur aus hammerguten Leuten besteht, sondern täglich echtes Teamwork lebt. Ich bin wirklich unglaublich stolz darauf zu sehen, wie es bei uns immer wieder allen gelingt, gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Wir sind mittlerweile über 20 Leute aus den verschiedensten Disziplinen. Und jeder macht nicht nur einen super Job, sondern kümmert sich auch darum, wie wir unsere Prozesse als Firma insgesamt verbessern können.

Das war aber nicht immer so. Ich habe (als alter Sack) 1995 als Freelance-Tonmeister angefangen und primär Musik produziert. Als es gegen 2007 immer schwieriger wurde, mit reinen Musikproduktionen Geld zu verdienen, habe ich mich sehr langsam in Richtung Werbung und Audio Postproduktion bewegt. 2010 hatte ich dann die Idee für eine Online-Sprecheragentur, die ich eigentlich erstmal nur für mich selber bauen wollte, da es keinen Anbieter gab, der sich um die Belange der Produzenten kümmerte. Ein Jahr später war das Projekt online und fing an richtig durch die Decke zu gehen. Zu der Zeit konnte man noch mit ein paar gekauften Links SEO machen. ?

Bis dahin war mein Laden mehr oder weniger ein 1‑Mann-Unternehmen. 2012 habe ich dann die Entscheidung getroffen, eine echte Firma zu gründen und ein skalierbares Business aufzusetzen. Seitdem sind wir jedes Jahr um 50% bis 100% gewachsen und mittlerweile 20 Leute.

Worum dreht sich dein Impuls auf der New Media Night 2016?

Bei so einem Wachstum (das wir zu 100% bootstrappen) kommt man schnell in Regionen, bei denen ein Modell, das lange funktioniert hat, auf einmal nicht mehr geht. 20 Leute sind eben längst nicht doppelt so effektiv wie 10. Da gilt eher so 10+10=17. Und man setzt schnell im Monat deutlich mehr um, als man früher im Jahr verdient hat. Jeder Fehler wird dann sofort sehr teuer. Das heißt, man muss komplett umdenken. Ich möchte euch an dem Abend zwei Aspekte vorstellen, mit dem wir uns auf Skalierung und dauerhaftes Wachstum gebracht haben.

Der Algorithmus als Kollege

Der erste Punkt ist die Teamstruktur. Wie kann man in Zeiten von Assistenzsystemen und AI ein Team aufstellen, das perfekt skaliert und an jeder Stelle durch Software und AI verstärkt werden kann? Und wie schafft man eine Kultur, in der sich jeder – auf seine ganz persönliche Art und Weise – einbringen kann? Denn Automation ist nicht dazu da Menschen zu ersetzen, sondern nervige Aufgaben abzunehmen und jeden dazu zu bringen, mit Sinn und Spass seinen Job besser zu machen. Das muss tief in der Kultur verankert sein.

Wir haben traditionelle Top-Down-Kommando-Hierachien komplett aufgegeben und durch ein rollenbasiertes, eher holokratisch orientiertes Teammodell ersetzt. Bei uns sind der Algorithmus Kollege und ein Teamlead Sklave die Spezialisten. Im Lehrbuch heißt das dann wahrscheinlich eher sowas wie „Führungsdienstleister”. ? Wie genau dieses Modell aussieht, werde ich im Vortrag zeigen.

OKR: Objective + Key Results

Wenn man jedes Jahr mehr oder minder alles was man macht auf den Kopf stellt, ist es gar nicht so einfach immer alle auf Track zu halten, denn ein „Das haben wir schon immer so gemacht” hat bei uns eine Halbwertszeit von einer Woche. Da ich jemand bin, der gerne in Modellen denkt, habe ich mich ausgiebig mit allen möglichen Management-Methoden beschäftigt. Angefangen haben wir mit dem V2MOM Prozess von Salesforce und Marc Benioff.

Im Laufe der Zeit wurde dann mehr und mehr OKR daraus. OKR ist ein Managementsystem, das John Doerr (einer der ersten VCs von Google) sehr früh bei Google implementiert hat. Sinn dieses ursprünglich von Andy Grove entwickelten Systems ist es, dass ich keinem Mitarbeiter stupide sage, was er oder sie tun soll. Stattdessen setzen wir uns gemeinsam ambitionierte Ziele (Objectives) und definieren dann Metriken, die genau festsetzen, wann und wie wir wissen, dass das Ziel erreicht ist (Key Results).

Diese Ziele gibt es auf Firmen‑, Team- und persönlicher Ebene. Dieses System möchte ich kurz vorstellen und zeigen, wie wir es konkret bei uns etabliert haben und für unseren Prozess modifiziert haben. In Kombination mit einer Vision und fest definierten Firmenwerten (diese haben wir uns aus dem V2MOM Modell behalten), hat so jeder bei uns einen sehr freien Handlungsspielraum und trotzdem einen Plan, wie man sich nicht verzettelt sondern auf das gemeinsame Ziel hinarbeitet.

Wie kann der „digitale Nachwuchs” das OKR-Konzept für sich nutzen?

Bei der Entwicklung einer Firma gibt es unendlich viele Unwägbarkeiten, die häufig ein komplettes Umdenken erfordern. In solchen – oft schweren – Phasen ist es megawichtig, dass das ganze Team versteht was das Ziel ist und dieses auch wirklich unterstützt. Das geht nicht in dem man einfach stumpf vorgibt, was jeder Mitarbeiter machen soll. Zum Glück will heute kein Mensch mehr bundeswehrmässig hirnlos Befehle ausführen.

Hier im Rheinland sagt man so schön: „Jeder Jeck ist anders”. OKR ist ein Power-Tool mit dem jeder auf seine Art und Weise an einem gemeinsamen größeren Ziel arbeiten kann. Wenn man die individuellen Fähigkeiten und Sichtweisen seines ganzen Teams nutzen kann, hat man so viel mehr Power, als wenn man immer in seiner eigenen Suppe hockt. Und dazu hilft OKR durch die ambitionierten Ziele nicht im Status Quo zu verharren, sondern stetig zu hinterfragen, wie man besser werden kann.

Lieber Alex, vielen Dank für das nette Interview! Wir sind auf jeden Fall neugierig auf deinen Vortrag geworden und sehen uns bei der New Media Night am 11. November!

Mehr zur New Media Night und zum Nachwuchspreis Neue Medien findet ihr übrigens hier auf der Webseite.

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