Dieser Artikel ist schon über 2 Jahre alt. Unter Umständen kann das, worüber wir geschrieben haben durchaus veraltet sein! 😉 


Das Vier-Ohren-Modell von Friedemann Schulz von Thun ist ein Klassiker in Kommunikationstrainings. Es erklärt uns, warum wir zu Fehlinterpretationen neigen und wodurch oft Missverständnisse entstehen. Zu solchen Missdeutungen und Irrtümern kommt es meist, weil eine Botschaft vier Komponenten hat. Um sie zu entschlüsseln, benutzen wir eines unserer „Vier Ohren“. Je nachdem, auf welchem Ohr wir sie gehört haben, können wir 1. die sachlichen Argumente herausfiltern (Sachebene), 2. das Ganze in zwischenmenschlicher Hinsicht hinterfragen (Beziehungsebene), 3. sie als eine Aufforderung zum Handeln verstehen (Appellebene) oder 4. als einen Weg, uns selbst und unsere Gefühle durch die Blume mitzuteilen (Selbstoffenbarungsebene).
Kurzum: Es kommt also immer darauf an, wie wir die Aussage des Anderen entschlüsseln, ganz nach dem Motto „Hmmm, was hat der denn nun wirklich gemeint? Wollt’ der mir vielleicht irgendwas damit sagen?!“

Auffällig ist, dass man diese vier Teilaspekte einer Botschaft auch in sozialen Netzwerken findet.  Es gibt sie zwar in anderer Form und Ausprägung als in der direkten Kommunikation, denn schließlich fehlen Mimik, Gestik, Stimmlage und sonstige nonverbale Ausdrucksmittel, aber es gibt sie.
Dabei verläuft unsere Online-Kommunikation in den meisten Fällen auf mehreren Ebenen, bisweilen sogar auf allen gleichzeitig. Darüber hinaus gibt es noch einen weiteren, riesigen Unterschied zum Originalmodell. Denn in den Communities geht es nicht nur um das Zuhören, sondern vor allem auch um das aktive „Sprechen” – um die rege Interaktion zwischen demjenigen, der Statusupdates verfasst, und denjenigen, die diese kommentieren, liken und mit anderen teilen.

Das Vier-Ohren-Modell mutiert also in der Social Media Landschaft wohl eher zu einem multitaskingfähigen Vier-Ohren-Mund-Modell. Und dieses konzentriert sich sowohl auf die aktiv Initiativen, die etwas Neues posten und den Stein sozusagen ins Rollen bringen, als auch auf die aktiv Passiven, die auf das Posting reagieren.
Im Klartext heißt das: Wenn wir beispielsweise bei Facebook sind und unseren Status erneuern, wollen wir nicht einfach Informationen mit anderen teilen, selbst wenn wir vordergründig nur auf einen interessanten Artikel verweisen oder von einer spannenden Lesung berichten, eine bombastische Band weiterempfehlen oder wenn wir den anderen mitteilen, dass wir bald eine neue Fotokamera kaufen wollen. Oft genug wollen wir uns nicht nur über Sachverhalte austauschen und die Anderen vor vollendete Tatsachen stellen.

Ganz im Gegenteil: In der Community wollen wir uns mit anderen austauschen, in der Hoffnung, ein Feedback zu bekommen – und sei es, welchen Hersteller unsere Online-Freunde beim Kauf der Kamera empfehlen können. Wir teilen uns also selbst mit und „offenbaren“ uns unseren Online-Freunden, weil wir deren Sicht der Dinge, deren Erfahrungen und Standpunkte erfahren wollen und deren aufrichtige Meinung zu Themen, die uns bewegen, hören möchten. Wir appellieren also gleichzeitig an ihr Mitteilungs‑, Kommentar- und Like-Bedürfnis. Auf die Art pflegen wir unsere Freundschaften – ganz so, wie in der realen Welt.